Wenn ich Leuten erzähle, dass ich in einem Weiler mit 46 Einwohnern lebe, reagieren die meisten überrascht, manchmal auch mitleidig oder schockiert. Glücklicherweise ist unsere Fischersiedlung nicht so isoliert wie andere entlegene Gemeinden in Neufundland.
Noddy Bay liegt nämlich nur fünf Autominuten von L’ Anse aux Meadows entfernt. Dort befindet sich eine berühmte archälogische Wikingerstätte, die jährlich Tausende von Touristen anzieht. Im Sommer sind Restaurants und Souvenirläden offen und ein Hauch der großen weiten Welt zieht in unsere Gegend ein.
Dank L’ Anse aux Meadows, wo vor tausend Jahren Wikingerboote landeten und die Wikinger als erste Europäer (fünfhundert Jahre vor Kolumbus) den Fuß auf den nordamerikanischen Kontinent setzten, wurde 1968 die erste Teerstraße gebaut.
Vor einigen Wochen besuchte ich eine Gemeinde, die viel isolierter als Noddy Bay ist: Gaultois liegt auf der gleichnamigen Insel vor der Südküste Neufundlands. Man kann das Dörfchen nur mit einer Fähre erreichen, die einmal täglich fährt. Diese entlegenen Siedlungen kosten die Regierung der Provinz Neufundland und Labrador viel Geld. Deshalb werden die Bewohner ermuntert, ihre Häuser aufzugeben und anderswo hinzuziehen. Sie erhalten im Gegenzug einen Geldbetrag, um ihnen den Wechsel zu erleichtern.
In Gaultois fand im April eine Abstimmung über die Frage statt, ob man das Dörfchen aufgeben soll. 64 Prozent der Einwohner waren dafür, aber es hätte eine Mehrheit von 75 Prozent erfordert. So wird Gaultois fortbestehen, bis alle Einwohner ausgestorben sind. Die jungen Leute ziehen weg und in der Dorfschule gibt es derzeit nur drei Kinder.
Ein Besuch von Gaultois ist ein eindrückliches Erlebnis. Es gibt keine geteerten Straßen, die Einwohner bewegen sich mit Quads (Geländefahrzeugen) fort. Wir besuchten den einzigen Laden, dessen Besitzer 75 Jahre alt ist. Neben den Menschen gibt es eine Kolonie herrenloser Katzen, die kastriert sind und von zwei Frauen gefüttert werden.
Im Vergleich zu Gaultois ist Noddy Bay gut erreichbar. Im Weiler gibt es einen Lebensmittelladen und sogar ein Pub namens Skipper Hots. Ein Nachbar von uns hat sogar Überwachungskameras an seinem Haus installieren lassen. Wenn das kein Zeichen der Moderne ist …