Was für ein Abenteuer, mit einer guten Freundin loszufahren, auch wenn es Winter ist und die Fahrbedingungen nicht immer ideal. Doch Susanne hat ein gutes Auto, das wintersicher ist, und sie ist eine exzellente Fahrerin. Wir sind ins Innere der kanadischen Provinz British Columbia gefahren, über den berüchtigten Coquihalla Highway nach Kamloops. Denn in der Stadt Kamloops und Umgebung spielt sich ein Teil der Handlung meines Krimis ab, an dem ich gerade schreibe.
Wir besichtigten die Kamloops Indian Residential School, ein heute geschlossenes Zwangsinternat der Regierung für indigene Kinder. Die Schule wurde von der katholischen Kirche geführt und für die meisten Kinder war sie eine Hölle. Mädchen und Jungs wurden geschlagen, vergewaltigt, in den Tod getrieben und ihre Leichen wurden im Obstgarten in Löchern verscharrt. Die Schülerinnen und Schüler, die teilweise schon im Alter von drei Jahren den Eltern weggenommen wurden und diese jahrelang nicht sahen, durften nicht in ihrer Muttersprache reden und ihre Kultur nicht leben. Man wollte sie in die Gesellschaft zwangsassimilieren. Ein ganz schlimmes Kapitel der kanadischen Geschichte.
Kamloops hat glücklicherweise auch Orte, wo die Seele wieder zur Ruhe kommt, zum Beispiel das Grasslands-Naturschutzgebiet, in dem wir schneewandern gingen. Es ist von Gräsern und Salbeibüschen bewachsen, und im Sommer trifft man hier Klapperschlangen an. Keine Bange, wer fest auftritt mit Wanderschuhen, hat eigentlich nichts zu befürchten. Die Schlangen spüren die Erschütterung des Bodens und fliehen.
Ich wollte auch einmal Sun Peaks sehen, einen Skiort nicht weit von Kamloops, dessen Architektur europäische Bergdörfer nachahmt. Ich fahre nicht mehr Ski, aber ich fühlte mich in Sun Peaks an frühere Zeiten in der Schweiz erinnert, als ich noch auf Brettern mehr schlecht als recht vom Berg ins Tal glitt. Die Pandemie scheint an Sun Peaks vorbeizugehen. Die Cafés waren voll (man muss Maske tragen und den Impfausweis zeigen), die Schneewege auch, und die Sonne strahlte über den Pisten und Skiliften.
Auf der Rückfahrt besuchten wir Merritt, eine Kleinstadt mit einer interessanten Pionieratmosphäre, die im Sommer mit Freiluftkonzerten viele Musikbegeisterte anzieht. Mir gefallen Orte, die nicht so rausgeputzt und perfekt renoviert sind. Vor allem gefiel mir das Coldwater Hotel, das mehr als 110 Jahre alt ist und aus einem alten Film stammen könnte. Zum Schluss aßen wir Zimtschnecken (Cinnemon Buns) in einem von Indigenen geführten Café. Ein stimmiger Abschluss für zwei abenteuerlustige Freundinnen!