In Neufundland, wo ich mich gerade aufhalte, faszinieren mich die Orte, an denen früher Siedlungen standen und die heute verlassen sind und zerfallen. Wann immer ich kann, suche ich diese geheimnisumwobenen Stätten auf: Ufer, wo einst Fischer mit ihren Booten in den Ozean stachen, Häuser, in denen kinderreiche Familien ein oft kümmerliches Dasein fristeten, Kirchen, in denen für bessere Jahre gebetet wurde.
im kanadischen Neufundland wurden von 1954 bis 1975 rund 300 entlegene Fischersiedlungen verlassen. Die Überreste kann man in vielen Fällen zu Fuß oder per Boot erreichen. Mit einer Freundin wanderte ich über die Tundra an der Nordspitze Neufundlands, um zur Siedlung Fortune zu gelangen.
In Fortune steht nur noch ein einziges Haus, aber wohl nicht mehr lange, denn die Rückseite ist schon völlig auseinandergebrochen. Reste des Kirchturms liegen im Gras. Noch vor einigen Jahren konnte ich mit Vorsicht die Zimmer des Hauses betreten, in denen Betten und Stühle standen. Der Zerfall indes schreitet leider unerbittlich fort.
Viele der Siedlungen wurden auf Betreiben der Behörden von den Bewohnern aufgegeben. Die Provinz konnte es sich nicht leisten, die isolierten Dörfer mit Strom und Straßen zu versorgen. Die Bewohner erhielten eine größere Summe, damit sie sich anderswo niederlassen. Insgesamt wurden auf diese Weise fast 30000 Menschen umgesiedelt. Ihre einstigen Dörfer sind aber nicht völlig vergessen: Entdeckerseelen wie ich fühlen sich unwiderstehlich von ihnen angezogen.